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S. Yishar

Die Auftakte beginnen mit Landschaftsaufnahmen in wenigen langen Sätzen, sich manchmal über fast die gesamte Seite hinziehend. Es war nicht, dass Yeshir in einem Zwang zu langen Sätzen gefangen scheint, vielmehr das er solche Ungetüme einsetzt, um sie mit weit kürzeren, Ellipsen gar, auszuwechseln. Yishar spielt mit Klängen und Bedeutungen. „Und wo war der erste Ort? Der allererste? Also der erste Ort, wenngleich ohne jeden Beleg, war orangefarben, orange durch und durch, goldorange, tieforange. / Von seidiger Glätte, und dann so ein lässiges Flappen sattoranger Stoffbahnen, orange bis tieforange, die offenbar, anders läßt es sich nicht erklären, eine Zeltbahn gewesen sein müssen, von einem sehr großen Zelt, und dessen Inneres strotzte vor tieforangenem Seidenrascheln und sich üppig bauschender Fülle, in trägen Wellen dahinrollend, durch und durch orange, mit sanftem Wellenschlag, sonniges Orange und schattiges Orange, in allen Schattierungen orangen Lichts und mit spielenden Reflexen drauf, ganz seidig, in jenem großen Zelt, vielleicht in einem Militärlager, wahrscheinlich sogar (englisch? türkisch?), und wohl nicht weit von dem Ort, aus dem Mutter kam, das Baby auf den Armen (wo ist der Vater?), oder womöglich hatte man sie dorthin gerufen, in dieses Militärzeltlager, in das Zelt, dieses indische Zelt (warum indisch? Aber wohl doch indisch – ein indisches Zelt in einem britischen Lager?), dieses große aufgeblähte Zelt, das sich in der fast völligen Windstille jenes heißen Tages träge bauscht, mit leisem Wispern seidigen Oranges jedes Lüften erwidert, so ein seidenglattes, lechtendes Orange, das in das Bewusstsein des Sehenden fließt […]“ [übersetzt von Ruth Achlama]. Sich so und so ähnlich von einem Bild zum nächsten, über die Trennung durch Kommata und in sich geschlossene Satzstrukturen hinübergleitend, schreibt sich der Satz fort, bis man es aufgibt, auf einen Punkt zu hoffen, aufgibt, Zeilen des Satzes zu zählen, aufgibt, Subjekte und Handlungen nachzuvollziehen, und sich treiben lässt vom Wind in der safranen Seide, und immer wieder, wie zur Erinnerung, an das Bild, das alles in eine Farbe, eine Linie taucht, aber auch immer wieder neu Beschreibungen der Stoffbahnen des Zeltes, das man nun atmen hört, atmen sieht, atmen fühlt, man riecht das Orange, und spürt, wie gut es tut, für einen Augenblick Satzlänge und Temporalstrukturen aus dem Blick zu verlieren, sich einfach hineinzuversenken in die Sprache, das Bild, ehe einen der fliegenklecksgroße Punkt wieder zurückholte. Zurückholte, wohin? In eine parataktische Welt, in der Sätze zu Ende geschrieben werden müssen? In der Satzendzeichen gesetzt werden, noch bevor der Satz sich so weit geschrieben hat, so weit in die Unendlichkeit vorgedrungen ist, dass er sich gar nicht beenden kann, dass sich ein Punkt wie selbstverständlich erübrigt, und schließlich doch kommt, aber dann nicht mehr als Trenner, nicht mehr ordnendes Element, sondern Dekoration, seiner Funktionen beraubt oder neu befugt. Brilliant an dem oben zitierten Satz ist dann, dass Yishar nicht nur dann doch einfällt, dass er noch etwas zu beenden hat, sondern auch wie er es tut, nämlich so, dass sich inhaltlich alles öffnet, mit einer Frage gestellt, die sich ergibt, aus dem Satz, aber dennoch so plötzlich kommt, dass der gelesene Schwung einen mitnimmt, als gäbe es selbst dieses Fragezeichen nicht, als diene die veränderte, anhebende Intonation, die, nicht im Deutschen, die Frage erst als solche erkennbar machte, lediglich als Treppe das Satzzeichen zu überspringen, oder wozu sonst sollte es da sein, dieses Fragezeichen, wenn nicht zur Überwindung auch dieser Mauer, wenn nicht zum Neudenken des Denkens in Paketen, des Schreibens in klein verdaubaren Häppchen?


Die Stimme im Lautsprecher des Zuges, in dem ich immer noch sitze, und immer noch, oder schon wieder, schreibe, sagt einen Regionalexpress nach Konschtanz an, Betonung auf der ersten Silbe. Das Zugpersonal hatte gewechselt. Wie gut, dass ich die Datei mit dem Ticket noch geöffnet gehalten habe. Nur für den Fall, der jetzt eintreten wird, ohne über besondere Vorkenntnisse im Wahrsagen zu verfügen.

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