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weib der nation

Maskulinität war immer auch ein offenes Konzept, eine Kategorie mit der Untreue bestraft werden konnte: das Versagen die Familie oder die Nation zu schützen hatte als Sanktionierung eine Abwertung der eigenen Männlichkeit zur Folge. Männer, die keine heldenhaften Beschützer waren, waren nur halbe Männer. Nationalismus brauchte diese bestehenden Konzepte nur noch erweitern. Wenngleich Hobsbawm oder Gellner kein Wort über Geschlecht verloren, so war doch Nationalismus eine Ideologie, die untrennbar auch mit einer sexistischen Logik verbunden war. Ohne ein Geschlechterverhältnis wäre der Nationalismus einer wichtigen Grundlage beraubt. Frauen hatten Reproduktion zu leisten, waren in unterstützenden Rollen. Nationalismus war stets geschlechtlich spezifisch und destinktiv in seiner rollenverteilten Umsetzung. Moses Hess schrieb dazu schon in seinem Rom und Jerusalem, in deutlicher Anspielung auf die italienische Nationalbewegung, die dann Gershom Scholem für Berlin und den Holocaust seinerseits wieder aufgriff: „Jeder Jude hat den Stoff zu einem Messias, jede Jüdin den zu einer mater dolorosa in sich.“ Provokant ist Hess hier noch nicht einmal in seiner Referenz zu katholischer Symbolik, denn es geht ihm einzig darum, auf bestehende Assoziationsketten zurückgreifen zu können, die den Aufbau einer Nation in geschlechterspezifisch und binär geteilten Funktionen, wo jeweils dem männlichen Subjekt die Schutzherrschaft über das weibliche Subjekt und die in dieser Logik feminisierte Nation zukommt. Es mus die Nation sein, es geht nicht anders. Was sonst hätte der Held zu beschützen? Wohl kaum eine Kriegsgrabstätte, die nicht eine fürsorgliche Mutter zeigte. Pietà, dieselbe Hess’sche Referenziallogik: Wo schon Unterdrückung besteht, muss nur noch rechtgefertigt werden. Cynthia Enloe schrieb von Nationalismus als männlicher Institution, die aus maskulinisierter Erinnerung, maskulinisierter Erniedrigung, maskulinisierter Hoffnung entstehen, wobei Maskulinisierung den Prozess beschrieb, welcher eine Gruppe Menschen unter der Rechtfertigung von geschlechtlich pezifisierter Schutzbedürftigkeit Herrschaft über eine andere einräumte. Erinnerung zu maskulinisieren bedeutete: Geschichte umzuschreiben, dass sich daraus ein Bild ergab, das die Einsetzung von Schutzherrschaft intuitiv machte. Das beinhaltete auch eine Prägung anatomischer Körper, eine biologistische Umschreibung bezüglich des nationalen Projekts: Es gab kämpfende Körper, es gab reproduzierende Körper. Mehr noch als Krieger waren männliche Körper aber Wächter, über Frauen und Nation, gleichsam feminisierend, das heißt: sich in kolonialer Logik zueigen machend und objektifizierend, dann nur noch eifersüchtig bewachend, und gerecht verteidigend. Menschen müssen daher spezifisch als Frauen und Männer kontrolliert und diszipliniert werden, um das Projekt aufrecht zu erhalten: Frauen, die wie Alma Wartenberg zum Geburtenstreik aufriefen, mussten sanktioniert werden, um das fragile System der Reproduktionslogik nicht ins wanken zu bringen, genauso wie desertierenden Soldaten nicht nur Vaterlandsliebe, Verantwortung und Treue, sondern auch Männlichkeit abgesprochen wurde. Gleichzeitig zu schützen und zu töten war ihre ambiguose Aufgabe, zu verteiden und ihren Frauen die Schranken zu weisen. Kriege dann waren die Erfüllung nationalistischer und damit auch maskulinisierender Mythen. Umso triumphaler schienen sie dann aber eher damit zu enden, dass Frauen führende Rollen in heimatlichen Betrieben übernahmen, ohne reproduzieren zu müssen, weil ihre Männer und Söhne im Krieg oder gefallen waren, dass Frauen Partisaninnen wurden, die erfolgreich nicht nur die Besatzungsmacht, wie im Jugoslavien des Weltkriegs, sondern auch nationalistisch-sexistische Narrativen herausforderten und bekämpften. Unwillkürlich hatte sich ein militaristisches Vokabular eingeschlichen, das sie vorsichtig unterlassen wollte. Schwierige ökonomische Situationen waren auch deshalb Nährboden für sexistische Ideologien (wie Nationalismus), weil sie den Mann als Beschützer und Ernährer der Familie enttäuschten und damit seine Männlichkeit anzweifelten. Der Ausweg war die Wiedererichtung eines reaktionären Systems, das Frauen wieder den Platz zuwies, der ihnen in maskulinisierender Logik zustand, und Männer damit auf den Beschützerposten zurückhob. Ganz praktisch bedeutete ein Arbeitsverbot für Frauen auch eine Senkung der Arbeitslosenquote, weil die eine Hälfte nicht mehr gezählt werden musste und die andere deren Arbeitsstellen übernehmen konnte.


März 2016

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