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abschiebung und andere unwörter

Unwörter, entsetzliche Neologismen, Konstrukte, die schon sprachlich schmerzten, und noch mehr weh taten, wenn sie sich bewusst machte, was sie bedeuteten, verkörperten, transportierten und politisch funktionierten. Ausreisezentrum, Euphemismus. Willkommenskultur, Lüge. Integrationsverweigerer, Hegemonialdenken. Arbeitnehmer_in, Verkehrung. Dönermord, Rassismus. Gutmensch, Zynismus. Als Liebhabende des deutschen, trotzdem kleingeschrieben, und der Sprache, wenngleich hadernd, stand sie im Schatten von Begrifflichkeiten. Dennoch demaskierten einzelne Wörter politische Projekte, transportierten Konzepte, kurz: besaßen Tragweite. „Damit Abschiebung funktioniert, ist Intransparenz notwendig. Und diese muss immer wieder aufs Neue sichergestellt werden, denn der Widerstand gegen Abschiebungen besteht unter anderem darin, Licht in die Blackbox zu bringen.“ Oulios beschreibt die Verwandtschaft von Verschleierung und Sprache, von einer unmenschlichen Politik, die darauf angewiesen war, nicht beachtet zu werden. „Das Versteckspiel, die Dethematisierung von Abschiebung beginnt im Grunde mit der Terminologie.“ Sie schaute im Internet nach, die Webpräsenz des BaMF hatte sich scheinbar nicht verändert, auch dem Slogan „Den Menschen im Blick. Schützen. Integrieren.“ war kein „Abschieben“ hinzugekommen, wie Oulios zynisch bemängelte. Oder wenigstens Rückführen. Freiwillige Ausreise, ein Mythos von geschichtlicher Tragweite, der nicht nur bei Sprache blieb, sondern die Verschleierung und Euphemisierung der Abschiebung in einem humanitären Diskurs mit Intentionen des Helfens verwob. Oulis macht auf eine Variation aufmerksam: Sex Worker_innen, die in Intersektion mit Illegalisierung vor der Wahl standen, abgeschoben zu werden, oder sich als Opfer von Trafficking zu proklamieren, ein Handgeld ausgehändigt zu bekommen, und freiwillig zurückgekehrt zu werden. Wohin auch immer, in die Grenzen eines Staates, was auch immer dort Herkunft bedeutete, was Perspektive nie sein konnte. In vielen Fällen schützte aber selbst dies nicht vor Belangung im Verstoß gegen das Ausländergesetz. Wieder so ein Wort. Menschlich sollte es sein, human ablaufen, kein Aufsehen erregen, und keine Täterschaft implizieren. Vermeintlich Überlebende zu schützen, aber das Hemd der Regierung nicht zu beflecken. Oulis druckt Texte von Betroffenen, sie sprechen und sind laut. Widersprechen der Maschinerie des Unsichtbarmachens, Flughäfen und Sicherheit, dagegen das Urteil des Bundesverfassungsgerichts: „‘Wohlfühlatmosphäre‘ in einer reinen Welt des Konsums zu schaffen [… war kein] legitimer Zweck zur Einschränkung der Meinungsfreiheit.“ Sie konnte nicht mehr. Legte das Buch zur Seite, verlor sich im Internet. Schrieb der Geliebten auf skype: „this country is so fucked up.“ und wusste, dass an Schlaf nicht zu denken war. Sie wusste all dies, natürlich. War nichts Neues, jetzt erst gab sie dem Raum, gab auch ihr selbst Raum, ihrer Wut und ihrer Verbundenheit. Sie konnte nicht aufhören, las von Menschen, so vielen Menschen, die sich das Leben genommen hatten oder aufgrund mangelnder Hilfeleistung, auch grundlegender medizinischer Versorgung, in Abschiebehaft starben, Menschen, die von Polizist_innen im Verwaltungsakt der Abschiebung erstickt, erschlagen, ermordet wurden.

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