Anmerkung: Ich spreche in diesem Beitrag solidarische cis Personen an, weil ich denke, dass sie sich damit auseinandersetzen sollten. Trans Geschwister, seht es mir nach, dass dieser Beitrag nichts empowerndes direkt für uns enthält.
Es ist irgendwie Standard geworden, hippe mainstream-feministische Räume, die als safe Räume gedacht sind, für FLINT* auszuschreiben. Und ich verstehe, dass ihr nicht dafür ausgebuht werden wollt, trans, nicht-binäre und inter Leute auszuschließen. Aber trans inklusive Räume gestalten, dazu gehört noch viel mehr als ein paar läppische Buchstaben. Sternchen auf‘s Plakat drucken können alle. Aber woher weiß ich dann, was wirklich ein sicherer Raum für mich ist?
Wenn da FLINT* draufsteht, sind selten auch INT* drin. Und wenn doch, sichtbar und unsichtbar, dann habe ich so oft verletzende und ausschließende Erfahrungen gemacht. Neulich gab es einen Workshop zu weiblicher* Sexualität. Der war für FLINT* ausgeschrieben. Aber die Referentin schien sich kaum mit ihren cis Privilegien auseinandergesetzt zu haben und lud dazu ein, Organe zu spüren. Organe spüren? Das versuche ich den ganzen Tag zu vermeiden. Denn im Unterschied zu cis Leuten kann sich das nicht geschlechts-bestätigend für mich anfühlen. Dann werde ich wütend und traurig, und will das alles loswerden. Dysphorisch. Wenn von einem FLINT*-Block trans männliche Personen oder nichtbinäre und trans weibliche Personen, die ihre Identität nicht auf die Stirn tätowiert haben, weggeschickt werden, dann verstärkt das nur Erfahrungen, in denen mir meine Identität abgesprochen wird. Dann habe ich entweder keine Lust auf solche Räume, weil ich schon ahne, dass nicht ich hier über meine Identität entscheide, oder ziehe mich so an, dass es alle checken: ah, die ist trans.
Cis weibliche Personen sind meistens die, die solche Räume gestalten, weil sie immer noch am dominantesten in feministischen Räumen sind und die Tatsache, dass sie ihre Weiblichkeit nicht verteidigen müssen, sie auch eher institutionell eingebunden werden. Das liegt daran, dass Transmysogynie auch in Räumen mit emanzipatorischem Selbstanspruch geschieht – und an unser aller Aufwachsen in einer transfeindlichen Gesellschaft. Wenn ihr das bisher nicht auf dem Schirm hattet, dass es INT* Leuten in euren FLINT* Räumen scheiße gehen könnte, dann ist das zwar ein bisschen ignorant, und hat vielleicht schon zu einigen Verletzungen geführt (entschuldigt euch gefälligst!) - aber es ist nie zu spät, cis Privilegien zu reflektieren, trans Perspektiven zu hören, und radikal trans inklusive Räume mitzugestalten. Alles andere ist unverantwortlich und verletzt Menschen, die ohnehin genug scheiß haben.
Ich hab ein paar Ideen, was für mich wichtig wäre, damit ein FLINT* Raum safe wird:
1. Meine Geschlechts-Identität weiß ich nur ganz alleine. Nur ich. Geschlechts-Identität kann man nicht von außen sehen. Deshalb können auch keine Menschen angesprochen werden, ohne Gefahr zu laufen, ihnen ihre Identität abzusprechen. Was sich mega scheiße anfühlt. Was geht, sind allgemeine Durchsagen oder Aushänge, in denen ihr erklärt, was euer Raum bedeutet, warum euch wichtig ist, dass keine cis Typen da sind, und in denen ihr darauf hinweist, dass Leute keine Menschen auf ihr Geschlecht ansprechen oder von der Veranstaltung werfen sollen.
2. Ich will erwarten können, dass sich cis Organisator_innen dieser Räume mit ihren cis Privilegien auseinandergesetzt haben und trans Leute in die Planung mit eingebunden haben. Dazu gehört, dass sich Vulven-malen und Beckenübungen anders anfühlen können für Menschen, denen abgesprochen wird, dass ihre Geschlechts-Identität zu ihrem Körper passt. Diese Auseinandersetzung bedeutet mehr, als mal einen Vortrag auf Youtube gehört zu haben oder FaulenzA zu hören. Es gibt bestimmt Leute in eurem Umfeld, die sich aus einer Betroffenenperspektive mit Transfeindlichkeit und Ausschlüssen beschäftigen – und auch coole Bücher, wie Support Your Sisters Not Your Cisters von FaulenzA. Die Auseinandersetzung damit hört nie auf – und auch wenn ihr das Gefühl habt, ihr habt viele trans Freund_innen oder euch schon viel damit auseinandergesetzt, kann es passieren, dass ihr transfeindliche scheiße baut. Das passiert. Nehmt Kritik an, vor allem wenn sie von Betroffenen kommt, und findet euch damit zurecht, dass ihr immer Fehler machen werdet. Mir hilft es wenig, große Erklärungen und Rechtfertigungen von euch zu bekommen. Ich will dann, dass ihr zuhört, Fehler eingesteht, euch entschuldigt, Kritik annehmt, und es das nächste Mal anders macht.
3. Safe Räume sind Räume, in denen ich nicht meine Identität verteidigen, intime Fragen zu meiner medizinischen Biografie beantworten oder körperliche Übergriffe erfahren muss. Um mich sicher zu fühlen, hilft es mir, wenn es ein Awareness-Team gibt, das sich mit Transfeindlichkeit beschäftigt, unbedingt Partei für mich ergreift und nur nach meinen Bedürfnissen handelt. Oder in Workshops zu wissen, dass jemand mit mir rausgehen kann, um mich zu fragen, ob ich etwas brauche. Dann weiß ich: auch wenn scheiße passiert, ist das Menschen nicht egal, und ich werde mit meinen Erfahrungen aufgefangen.
4. Wenn ich einen Raum betrete, bin ich meistens die einzige sichtbare trans Person, egal wie feministisch, queer und links dieser Raum ist. Von Feminist_innen, die keine Minderheiten-Erfahrungen kennen, erwarte ich, dass sie sich damit auseinandersetzen. Das bedeutet: für deine Fragen zu geschlechtsangleichenden OPs gibt‘s Google. Und für deine Erfahrungen mit Judith Butler gibt‘s einen Lesekreis. Ich repräsentiere niemanden, außer mich selbst. Damit sich ein Raum safe anfühlt, müssen Leute aufhören, mich anzustarren und mich ohne Small Talk zu meinen Organen auszufragen. Darauf könnt ihr Leute hinweisen, oder Bildungsveranstaltungen organisieren. Es gibt viele coole trans Aktivist_innen, die solche Bewusstseinsarbeit für solidarische cis Leute machen.
5. Schlussendlich muss sich aber etwas in feministischen Gruppen, Bewegungen und Szenen verändern. Strukturell. Intersektionalität ist zumindest in manchen Kreisen ein Modewort geworden. Aber Intersektionalität ist nicht abstrakt, sondern eine konkrete Aufgabe für weiße cis feministische Bewegungen der Mittelschicht. Und das bringt unangenehme Fragen mit sich: Warum machen die bezahlte Arbeit in eurer Struktur nur weiße akademisch gebildete cis Frauen (z.B. als Referent_innen)? Warum sind so wenige trans Personen bei euch aktiv? Wie tolerant seid ihr gegenüber (offen oder versteckt) trans exklusiven Feminist_innen? Habt ihr auch Angebote von trans Leuten für trans Leute? Nehmt ihr Nachrichten wahr, die die trans Community bewegen, und unterstützt ihr unseren Widerstand solidarisch? Es gibt nicht nur Diskriminierungserfahrungen – Machtverhältnisse wie Transfeindlichkeit wirken vor allem auch strukturell. Es braucht mehr solidarische cis Personen, die unsere Perspektiven hören, die uns fragen, was wir brauchen, die uns einstellen, die uns für Vorträge und Workshops einladen, und die Intersektionalität praktisch und auf allen Ebenen zur zentralen Aufgabe erheben. Und das bedeutet eben nicht: bei inklusiver Sprache stehenbleiben. Das ist cool, aber andere Machtverhältnisse sind in der Sprache unsichtbar, und wirken trotzdem. Und: nur weil ihr konsequent gendert, heißt das noch lange nicht, dass ihr keine anderen Ausschlüsse produziert.
Ja, das ist Arbeit. Aber was ist die Alternative? Unsolidarische und exklusive Veranstaltungen, auf denen ableisierte cis Feminist_innen über Intersektionalität abfeiern? Das will doch niemand. Und das ist Arbeit, die ich nicht immer selbst machen müssen will. In einer transfeindlichen Gesellschaft zu leben ist schon genug Arbeit. Ihr könnt diesen Post wegklicken und auf einen anderen Sender schalten. Ihr könnt weghören, wenn mal wieder jemand falsche Pronomen verwendet, oder peinlich berührt sein, wenn ihr erzähle, wie viel scheiße das Innenministerium schon wieder verzapft hat. Aber für Menschen wie mich hört die Auseinandersetzung damit nie auf. Das ist unfair. Und dafür könnt ihr nichts, wir leben halt in einer transfeindlichen Gesellschaft, in der ihr privilegiert werdet. Aber wenn ihr ehrlich an uns denkt, bevor ihr FLINT*-Räume ausschreibt oder ein Sternchen hinter Frauen setzt, unsere Perspektiven hört und Fehler zugebt, dann fängt da Solidarität an. Und die gute Nachricht ist: Ihr könnt Solidarität ganz praktisch werden lassen, indem ihr euch aktiv mit euren cis Privilegien auseinandersetzt und solidarische Räume schafft. Und dann könnt ihr uns einladen, und auf einer macht-kritischen FLINT*-Party feiern, bis das Patriarchat wackelt.
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