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gewalt

Sie fühlte sich so fremd in diesem Land, so einsam und so fern. Sie war die Fremde, die nicht erkannte, was vor ihr lag. Sie war niemand, und lebte nirgendwo. Sie schämte sich, sie kümmerte sich. So sehr, war nah. Rannten an Polizist_innen vorbei und harrten, Ellenbogen um Ellenbogen eingehakt, auf dem kalten Asphalt aus, um dann entfernt zu werden. Sie hatten keine Zeit für Tränen, mussten den Anschluss zur großen Demonstration schaffen, ohne Polizist_innen und Nazis unangenehm zu begegnen, erhielten ohne Internet auch keine Warnungen. Erfuhren dann erst im Kessel, dass der Zug der sächsischen Kleinstpartei aufgelöst hatte, und sich hunderte Nazis mit Pyrotechnik und Fäusten auf sie zu bewegten. Polizist_innen sammelten Steine weg, stellten Schilder sicher, und zogen den Kreis dichter. Antifaschist_innen harrten aus, warteten, sprachen mit einer Ordensschwester, die auch nicht gehen durfte. Bezugsgruppe Blumentopf, im anarchosyndikalistischen Block. All dies schien keinen Sinn mehr zu ergeben, Polizist_innen sprühten Gewürze und knüppelten Köpfe. Dialekt und Einheitskürzel verhielten sich konstant zu Brutalität. Die Polizei hatte vor, ihrer eigenen Gewalt zu begegnen, las sie. Mehr Frauen sollten an der Front eingesetzt werden. Weibliche Figur sollte de-eskalierend wirken, weibliche Friedfertigkeit auch auf ihre inhärent gewaltbereiten Kollegen überspringen. Statt strukturelle Probleme wie das Fehlen einer unabhängigen Ermittlungsinstanz, das Nicht-Belangen von Polizeitäter_innen, die gesetzliche Offenheit für polizeiliche Willkür oder der mangelhaften Deeskalationsausbildung polizeilicher Kräfte anzugehen, griff man bequem zum altvertrauten Geschlechterverhältnis. Wenn die junge Polizeikomissarin sich als Opfer darstellte, konnte das nicht helfen, als Opfer aussäglich muslimischer Gewalt, ihr Notruf, der im Oktober erschienen war, machte ein gutes Beispiel aufgeklärten falschen Bewusstseins, um einmal mit Sloterdijk zu sprechen. „Wir gehen ohne Vorurteile in den Einsatz, aber man wird geprägt. Bei gewissen Bevölkerungsgruppen bin ich wachsamer geworden.“ Kaum zynisch, eher traurig. Ideologiekritik, die es nicht bis ins eigene vorzudringen versuchte. Sie selbst erhebt ihre Autorität als Tochter ‚geräuschlos integrierter‘ griechischer Eltern, und natürlich als Angehörige Sie rechtfertigte Gewalt und Rassismus, aufgrund von ‚Tatsachen‘, und schaffte es dennoch, sich als schützenswertes Opfer darzustellen. Nicht der Staatsmacht, natürlich, sondern „manche Bevölkerungsgruppen“, die „bei bestimmten Verhaltensmerkmalen und Straftaten auffallend überrepräsentiert“ seien. Wie konnte man dem Disclaimer irgendwie Beachtung schenken, als sei dies „keine Pauschalverurteilung sein und schon gar keine rassistische Vorverurteilung aufgrund der Herkunft oder des Glaubens“? Genau das war es. Pegida war kein-Nazi-aber.


1. Mai 2016

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