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was nützt der aufstand in gedanken

In der Küche bereitete der Großvater ein Mittag, das sie weder körperrlich noch in ihrem Gewissen vertragen wird, und dass sie dennoch tapfer schlucken, und die Kochkunst des Großvaters loben. Der Großvater und die Enkelin hatten sich nicht viel zu sagen, weder in der Küche noch sonstwo, und so hatte sie sich in die Stube zurückgezogen, auch wenn die Lammfelle ihren Augen allergisch und moralisch zusetzten. Der Großvater, der Onkel, der Hund, sie alle bildeten eine Familie, auch in gewisser Weise ihre Familie. Wie zufällig doch all dies beschieden war. Sie schüttelte in Gedanken den Kopf. Unter keinen Umständen, jedenfalls nicht dass sie es sich vorstellen konnte, wäre sie mit diesen Menschen befreundet oder verbrächte Zeit hier, wenn es nicht um arbiträre genealogische Bande beschieden wäre. Sie hätten sich noch nicht einmal getroffen, zu verschieden waren ihre sozialen Kreise, die Mutter hätte nur ehrlich sein müssen. Die Mutter und der Großvater hatten, bei weitem nicht erst seit dem Tod der Großmutter, ein seltsames Verhältnis. Dennoch: die Enkelin war froh, hier ein wenig geerdet zu werden. Geerdet ist ein zu spirituelles Wort, es passte nicht. Was sie meinte war, dass sie nur den Teller an der Wand in der Küche (der früher nicht dort war) anzusehen, Reichsflaggen und Eisernes Kreuz, um zu wissen: die Mehrheit dieser Bevölkerung waren eben keine, die ihre Liebe teilten. Sie hörte Stammtischgesprächen zu, sah Menschen mit anderen in Interaktion, und hatte zuallererst ihre eigene Arroganz zu bekämpfen. Sie hatte genauso wenig recht. Vielleicht war sie privilegierter, andere Dinge wichtig zu nehmen, und andere Dinge erfahren zu haben. Aber das berechtigte sie keineswegs zu einem gedanklichen Kreuzzug. Sie hatte das Landproletariat nicht zu zivilisieren, aber wie konnte sie dennoch aufstehen für das, was ihr wichtig war, woran sie glaubte? Einer ihrer Konflikte, den die Heterogenität ihres Umfelds mit sich brachte. Was nützt ein Seufzen in Gedanken.


Sie wird noch ein wenig Kafka lesen, und dann die Augen schließen, unter zwei Bettdecken, weil dieses alte Haus selbst nach zwei solchen Frühlingstagen noch untragbar kalt war. So alt war dieses Haus dann aber doch nicht, nur um das richtigzustellen. Der Großvater hatte es gebaut, sobald er kreditfähig gewesen war. Im Dorf seiner Eltern und Großelten, sie wusste nicht wie weit zurück, wahrscheinlich ewig. Den Namen des Großvaters trugen die meisten Grabsteine des Friedhofs, auf dem sie gestern schon ehrerbietig empfangen wurde, in frühlingshaftem Vogelgezwitscher auf Stiefmütterchenduft (dufteten Stiefmütterchen überhaupt? Sie hatte keine Ahnung. Solche Eichendorff’schen Naturbilder steckten stets voll des Risikos). Rauchen war dort verboten, genau wie Lärmen, Fahrradfahren, und den Müll nicht fachgerecht zu trennen.

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